Samstag, 27. September 2008

Without a gun and a badge, what do you got ?

Marseille=Araber=Kriminalität - diese einfache Rechnung war für Sarko mitsamt Polizeipräsident wohl ausschlaggebend, die Stadt und nicht zuletzt ihre Hauptstraße Canebière zur Spielwiese autoritätssüchtiger Jungpolizisten zu machen. Deutscher Duft weht durch die Straßen, wenn man abends durch die Stadt läuft und innerhalb von knapp dreißig Minuten drei Personenkontrollen von maghrebinisch aussehenden Leuten bemerkt, die wahrscheinlich - wie hier üblich - den Bürgersteig zur Rollerfahrbahn umdeklariert haben. Es sind meist Jugendliche, die allein unterwegs sind und eben einen Helm unter dem Arm tragen. Gestern wurde eine arabische Familie der Bettlerei bezichtigt, weil sie sich mitsamt Baby auf den Bordstein gesetzt hatte, um den dort gebotenen Schatten eines Baumes zu nutzen.
Übrigens sieht man hier auch immer wieder auch CRS-Prügelbullen rumfahren, in flagranti habe ich sie bisher aber noch nicht erwischt. CRS ist eine Eliteeinheit, der Sarko wohl v.a. deswegen mehr Kompetenzen zugestanden hat, weil der Kärcher nicht richtig funktioniert hat. Was ja aber nicht ist, kann ja noch werden.
Dass aber ein französicher Polizist auch immer noch ein Franzose ist, konnte ich letzte Woche gemeinsame mit Martine erleben. Wir waren mit dem Auto auf dem Weg zur CAF, der Behörde, bei der man Wohngeld beantragen kann, und hatten kurz zuvor mit Laurent, dem pinselnden Neffen, über die hohe Polizeipräsenz geredet, als wir auch sogleich Opfer derselben wurden. Das aber nicht ganz unschuldig. In Martines kleinem Fiat-Flitzer hatte sie nämlich weder Fahrzeugpapiere noch Führerschein und da sie die Erfindung des Anschnallgurtes wohl auch für eher überflüssig hält, waren wir ein gefundenes Fressen für die Flics. Pflichtbewusst wurden Personalien aufgenommen und durchgegeben, als urplötzlich ein rasender Kombi durch den Kreisverkehr stach. Keine zehn Sekunden später waren die Papiere wieder in unseren Händen, die Polizisten wild am Pfeifen und auch schon auf der testorongeschwängerten Verfolgungsjagd, die sich keiner der vier Beamten entgehen lassen wollte. Wir fuhren weiter und sackten das Geld vom Staat ein (bzw. beantragten es...).

Donnerstag, 25. September 2008

Geklaut, aber besser als nix...



Das ist die famose Sicht von Notre Dame de la Garde - hier nur La Bonne Mère genannt -, die ich an meinem Geburtstag bestiegen habe. Foto stammt von Jacqui und wahrscheinlich ist es auch das beste, was im folgenden Jahr hier zu sehen sein wird.

Dienstag, 23. September 2008

7 Tage...

hat es gedauert, bis ich den Franzosen bei seiner wahren Leidenschaft erleben durfte. Nein, nicht beim Weintrinken, Fröschen-den-Schenkel-aus-dem-Leib-Reißen oder einen- neuen-Napoleon-Wählen, sondern beim Streik. Die Post isses. Muss mal ne Statistik anfangen.

Staring through my rearview

Und weiter geht's mit der wilden Reise...

Nachdem mein erster Tag bei der Cimade fertig war, habe ich mir ein wenig das Zentrum rund um den Alten Hafen zeigen lassen und ein rendez-vous bei einer Bank vereinbart - bei gefühlten 35°C im Schatten, die in der Bank dank Klimaanlage in schlagartige Kälte umschlugen, ein nicht immer ganz einfaches Unterfangen.
Geschafft stattete ich einem der zahlreichen Olympique Marseille-Shops meinen ersten Besuch, staunte über 75 €-Trikots und ging wieder hinaus, wo auch schon die ersten biertrinkenden und grölenden Liverpool-Fans auf mich warteten. Der gemeine OM-Fan pöbelt dagegen lieber aus der sicheren Deckung, sprich dem fahrenden Auto, heraus. Eh recht beeindruckend, wie hier jeder Zweite Maghrebiner im mutmaßlich geklauten, blütenweißen OM-Trainingsanzug rumstolziert und am besten noch im OM-Café, das am exklusivsten Ort der ganzen Stadt liegt - direkt am Vieux Port -, sein Halal-Imbiss oder auch -Menü verspeist.
Nachdem jemand an der Bahnhaltestelle seine Fähigkeit zur Unaufmerksamkeit wohl allzu deutlich unter Beweis stellen wollte und mit einem lauten "Bong" angefahren wurde, ging es dann hoch in die rue Pierre Béranger, also nach Hause.
Kurzfristige Überlegungen, ins Stade Vélodrome waren an meiner Müdigkeit und den astronomischen Preisen gescheitert.
Das Ersatzprogramm war aber auch nicht allzu schlecht: In der knapp 35m von der Haustür entfernten Bar zusammen mit Toni und Monsieur Ludwig das Spiel im Fernsehen gucken. Zwar habe ich recht wenig davon verstanden, was sie mir erzählten, MIT ihnen habe ich mich aber trotzdem gut verstanden, was nicht zuletzt der Tatsache geschuldet war, dass die beiden trotz recht offentsichtlichen Alkoholikerdaseins noch ein paar Euro zum Ausgeben für einen armen, kleinen "allemäng" hatte. Monsieur Ludwig zeigte mir stolz seinen Ausweis mit Verweis auf seinen deutschen Nachnamen und Toni erzählte mir vom Europa-Park, den er einmal im Jahr besucht und von Freunden aus Strasbourg, die er ständig versuchte anzurufen, ohne jedoch zu reüssieren. Seine Nummer habe ich jetzt auch.
Der kommende Tag war das 20. Jubiläum meiner Geburt und nachdem ich das erste Mal seit zweieinhalb Wochen ansatzweise ausschlafen konnte (bis 10.00 Uhr...), öffnete ich das Fenster und bekam ein Ständchen à la Romeo & Julia dargeboten. Nur dass leider zwei Kerle dabei waren - Laurent, Martines Neffe und sein Kumpel, die Malarbeiten auf der Terrasse erledigten. Martine kam auch hinzu und es wurde kräftig geschunkelt.
Nach Abknutscherei zum Frühstück gab's ein opulentes Mittagessen, das aufgrund der Entertainer-Qualitäten Laurents sehr kurzweilig ausfiel - erstes Gesprächsthema war die Ernennung Marseilles zur europäischen Kulturhauptstadt 2013. Interessant dabei übrigens, dass ich ihn auf Italienisch besser verstand als auf Franzözisch oder wie man auch immer diese Mischung aus teutonischer Aussprache und provenzalischer Nuschelei nennen soll.
Am Nachmittag habe ich Erfahrungen mit Mikrowellen als Ofenersatz gesammelt, als ich mir meinen eigenen Geburtstagkuchen backte - den ich im Übrigen nicht alleine gegessen habe.
Um meine Existenz als Papst nicht ganz zu vergessen, stieg ich am Abend zur Notre Dame de la Garde auf, von der aus man einen schlichtweg beeindruckenden Blick über die Stadt hat.

So... jetzt genug der detaillierten Darstellung, geht mir selbst auf die Nerven...
Donnerstag weiß ich grad nicht mehr, Freitag kam Tillmann, mein Vor-Vorgänger, mit seinem Vater, der Kameramann beim RBB (glaube ich) ist. Bei der Cimade war eine wichtige Konferenz, die um ein Dekret ging, das die Arbeit der Cimade in den sog. Centres de Rétention - den Abschiebecamps - grundsätzlich in Frage stellt. Da ich aber noch nicht den Riesenüberblick habe, warte ich lieber mit näheren Beschreibungen. Den Samstag habe ich im Wesentlichen mit den beiden aus Berlin Gekommenen verbracht, was sehr nett und witzig war und mich der Stadt noch ein wenig näher brachte.
Am Sonntag sind sie mir dann aber zu früh los. Deshalb habe ich mit Leuten aus Martines Gemeinde hier zu Mittag gegessen. Die Versuche, einer Dame aus Bern, mit mir Schwiizerdütsch zu sprechen waren von derart wenig Erfolg geprägt, dass wir wieder auf Französisch umstiegen. Ihr Mann, nebenbei der Pfarrer, konnte zwar kaum noch laufen, war aber trotzdem so nett, mich im Auto in die Stadtmitte zu fahren.
Das war nämlich meine Aufgabe des Tages: das Meer. Und das ist nunmal gleichbedeutend mit Stadtmitte in Marseille. So bestieg ich eines der Leihfahrräder, brauste den Blvd. de la Libération runter, fuhr auf der Canebière weiter bis zum Vieux Port, von dort ging es vorbei am Fort St. Nicola und dem Pharo, bevor ich am Strand landete, das Meer genoß und beim Versuch, die Stranddusche einzuschalten, scheiterte. Abends saßen wir noch mit Gilles zusammen, meinem Quasi-Mitbewohner, bei dem ich maximal die Hälfte dessen, was er sagt, verstehe. Witziger Kerl isser.
Am Montag war nach der allmorgendlichen Küsschen-Runde wieder die Post bei der Cimade dran und am Nachmittag ging es dann zu einem unglaublichen coolen Bankangestellten, der es weder verstand, dass man bei einem Airconditioner nicht unbedingt gleich auf arktische Temperaturen schalten muss noch dass man mit Nicht-Muttersprachlern auch deutlich sprechen kann. Jetzt gilt die Auf-Gut-Glück-Taktik, dass er mir nichts angedreht hat. Muss morgen nämlich nochmal vorbei, weil man beim Franzosen ca. viertausend Formulare vorbeibringen muss, von deren Notwendigkeit man aber erst auf der Bank erfährt.
Heute morgen sind Tillmann und Vadder für fünf Tage in die Camargue abgedüst und ich war von 7.50 bis 19.50 für die Sache einer gerechteren Welt unterwegs. Den Abend habe ich mit dem hier zu lesenden Sermon verbracht.
Tschüssli Müsli

Sonntag, 21. September 2008

Im Folgenden also ein etwas längerer Beitrag, der versucht, die vergangenen Wochen grob zusammenzufassen, wenngleich dies kaum möglich ist ob der zahlreichen Eindrücke, die ich v.a. hier in Marseille täglich erlebe.
Los ging meine Tour de France nicht in Frankreich, sondern in Hirschluch bei Berlin - elf Tage Vorbereitungsseminar zwischen Moor und Mücken. Zwar war der Großteil des Programms recht interessant, wir waren u.a. im Haus der Wannseekonferenz, konnten einer Neu-Köllner "Stadtteilmutter" zuhören und haben last, but not least Rambo 4 geguckt, bei einem Haufen von 160 SuperSühnern kann es allerdings vor lauter political correctness schnell ein wenig anstrengend werden, da man nur bei den wenigsten mit seiner ausgeprägten Liebe zu böser Negermusik, weiten Jogginghosen und ausgelatschten Adiletten (man stelle sich vor, dass manche diese überhaupt nicht kannten!!) Anklang findet. Zudem sind 160 Leute auf einem Fleck oft doch sehr anstrengend und so war ich doch recht froh, als es am 11. September - wahrscheinlich waren die USA-Tickets an diesem Tag billiger - nach Paris ging, dezimiert auf achtzehn Leute.
Dort wartete das nächste Seminar, diesmal ging es aber auch um praktische Dinge wie Kontoeröffnung, Handy oder das Verhalten des Franzosen an der Ampel. Es war ganz angenehm, weniger Leute um mich herum zu haben und auch direkt in der Stadt zu sein. Papst und Pastis mit Lorenz habe ich ja schon geschrieben.
Am 15.9. ging es dann im TGV endlich Marseille. Mein Papst-Dasein wies mir gleich auch einen Platz neben einer Nonne zu, die mich auf Fahrt unterhielt. Nach überraschend Halten in Avignon und Aix kam ich gegen 19 Uhr in Marseille an und die Sonne begrüßte mich von ihrer strahlendsten Seite. Abgeholt von Anne und Francoise, beide von der Cimade, konnte ich gleich mal mitbekommen, was Verkehr in Marseille heißt: Hupen, Brüllen und Beulen. Nachdem wir sicher in St. Julien - MEINEM Viertel - angekommen waren, wurden wir von einer ca. 1,50m großen, mit einem Dauerlachen ausgestatteten Frau begrüßt - Martine! Meine Vermieterin und Mitbewohnerin, die allzeit gut gelaunt ist und immer ein Lied auf den Lippen hat. Die Ankunft wurde standesgemäß mit Wein begossen, bevor ich das erste Mal in den Genuss von Martines Kochkünsten kam.
Meine erste Aufgabe bekam ich gleich mit auf den Weg: am nächsten Morgen meine Arbeitsstelle finden, ohne jemals zuvor in der Stadt gewesen zu sein. So machte ich mich am nächsten Morgen gegen 9.30 Uhr auf den Weg. Angekommen bin ich um 11.30 Uhr.
Den Weg zum Bus habe ich zwar noch gefunden - knapp 15m von der Haustür entfernt - danach war es aber nicht weit her mit meinem Orientierungssinn. Die Endhaltestelle des Busses ist gleichzeitig meine Umsteigestation, aber wo soll ich dann bloß einsteigen? Die Metro habe ich nicht gefunden, dafür eine der beiden (!) Tramlinien, mit der ich sogar bis zur richtigen Station gefahren bin. Dann noch mal eine gute halbe Stunde, bis ich vom Boulevard de la République die richtige Nebenstraße gefunden hatte und da war sie endlich: meine Arbeitsstelle für das kommende Jahr! Freundlich begrüßt von allen Anwesenden durfte ich mich gleich mal an den Empfang setzen und mich für die Post der Asylbewerber, die bei der Cimade ihre Adresse haben, verantwortlich fühlen.

... jetzt bin ich zu müde und geh in die Heia - morgen 7.15 Uhr aufstehen! Wird fortgesetzt

Donnerstag, 18. September 2008

Jetzt auch online erhältlich

Ja, richtig - ich bin nicht nur Papst, sondern jetzt auch online. Und zwar per WiFi, wie der Franzos' in einem erneuten Anflug von Anglophobie das WLan nennt. Somit auch wieder per ICQ und Skype erreichbar; befürchte, meine guten Vorsätze von wegen Lesen und Stadt angucken werden mit dem heutigen Tage mal wieder ad absurdum geführt... Am Wochenende werde ich die vergangenen drei Wochen dann mal ausführlicher Revue passieren lassen, also freut euch drauf (oder auch nicht...).

Dienstag, 16. September 2008

Finalement arrivé

Seit gestern Abend bin ich nun also in Massilia. Leider kriege ich das mit dem Internet noch nicht auf die Reihe, so dass ich mich nun auf einer franzoesischen Tastatur abkaempfen muss. Deshalb gibts Neuigkeiten erst spaeter, wenn das WiFi ma funktionieren sollte.

Samstag, 13. September 2008

Ich bin Papst!

Benedetto in der Stadt und ich live dabei. Stimmung besser als in der Kampfbahn Rote Erde – alle zwei Minuten brandet Torjubel auf. Ich sehe uns, d.h. Den Papst, denn wir SIND ja er, von der Seite, lass mich in religiösen Taumel versetzen. Geh nach zwei Minuten wieder. Geplant: Treffen mit Lorenz an der Notre-Dame. Schlecht geplant. Überall nämlich jubelnde Jugendliche. Aber die Aura des hohen Besuches lässt Lorenz und mich doch zusammenfinden, sehr gut und der wilden Tour durch Paris steht nichts im Wege. Gerne hätte ich Fotos gemacht, die Kamera aber nicht. Ist in Hirschluch kaputt gegangen.

Freitag, 12. September 2008

Parisien, tête de chien

Versuch, einen Blog zu eröffnen und auch zu unterhalten... Heute aus Hirschluch abgefahren und abends in Paris angekommen, sich mit 45 kg Gepäck durch die Metro-Stationen gekämpft, Blasen geholt und Pizza gegessen, die nach Aldi-Brot geschmeckt hat. Franzosen eben! Sonst alles super.