Sonntag, 5. Oktober 2008

I Got Game

Gestern vormittag durfte ich das erste Mal Bekanntschaft machen mit dem Mistral, der durch die Stadt fegte. Nachdem er sich etwas abgeschwächt hatte, traute ich mich auch aus dem Haus und ging auf die nächste Erkundungstour. Mein Ziel war die Corniche, die Küstenstraße, die im Zentrum beginnt, sich am Meer entlang bis zu den Stränden am Prado schlängelt und deren offizieller Name den John F. Kennedys trägt. Den ersten Teil bestritt ich mit dem Bus - das was zu sehen war, muss man selbst gesehen haben. Die Sonne verwandelt das Meer in eine glitzernde Oberfläche, die Segel der unzähligen Boote bilden ein eigenes Fahnenmeer und im Hintergrund thront ein Berg. Da gestern das Wetter dazu ausgezeichnet gepasst hat, waren zahlreiche Surfer an den Stränden unterwegs.
Ich bin aus dem Bus ausgestiegen und noch ein gutes Stück weiter gelaufen, vorbei an der alten Pferderennbahn bis hin zum Pointe Rouge, wo es auch einen kleinen Hafen gibt.
Dann habe ich mir den erstbesten Bus für die Rückfahrt geschnappt und war gespannt, wo er mich hinbringt. Antwort: Rond Point du Prado, das heißt keine drei Minuten vom Stade Vélodrome entfernt. Ich wusste, das OM an diesem Abend gegen den Tabellenfünften aus Caen spielt und konnte den ersten gezischten "Cherchez place?" noch widerstehen, nachdem ich einmal ums Stadion rumgelaufen war und mir der fünfte Kerl die gleiche Frage stellte, war es um mich geschehen und mein Geldbeutel um 30 € erleichtert.
Zwei Stunden vor Anpfiff und viel zu dünn angezogen setzte ich mich auf meinen Platz auf der Gegentribüne. Am Himmel war keine einzige Wolke zu sehen, der Mistral wurde seinem Ruf als Besen vollkommen gerecht.
Die Tortribünen sind in Marseille übrigens exklusiv reserviert für die Fanklubs und trotzdem voll. Auch hört man hier lieber Biggie und Lauryn Hill als Wolle Petry und Hermes House Band. Je weiter die Sonne unterging, desto mehr Maghrebiner strömten auf die Pläze neben mir, bis ich fast die letzte europäische Visage war. Die Spieler liefen zu Orffs O Fortuna ein, die Blocks grölten martialisch und schon nach zwei Minuten knipste Ben Arfa zum 1:0 für OM. Das wird hier im Allgemeinen so gefeiert, dass die versammelte Ultraschaft wie bekloppt die Tribüne runterrennt, am Zaun rüttelt und die Ordner auf den Plan ruft, die versuchen, für Ordnung zu sorgen. Nach drei, vier bengalischen Feuern war dann wieder Ruhe eingekehrt und mein Fokus wieder auf dem Spielfeld.
Leider bestätigte die schwarze Perle im Marseiller Tor nach knapp 20 Min. alle Vorurteile gegenüber afrikanischen Torwärten und ließ in gekonnter Manier den Ball vor die Füße des Gegners fallen, der kein Problem hatte einzuschieben.
Marseille war dann besser, ohne zu glänzen und erzielte in der 60. Min. den 2:1-Siegtreffer. Nach einer gelb-roten Karte in der 70. pfiff der Schiri, der hier genauso wie überall natürlich immer gegen die eigene Mannschaft pfeift, ab und nun galt es, so schnell wie möglich, das Stadion zu verlassen, denn die Ordner machen hier gleich kräftig Druck, seinen Platz zu verlassen, man sieht keine LaOla für die Fans o.Ä.
Daraufhin ging's zurück zur Metro, die ähnlich überfülllt war wie die Straßenbahn in Freiburg, als man dort noch Zuschauer hatte.
In drei Wochen geht's gegen Paris, DEN Erzfeind, das Stadion wird sicher ausverkauft sein und ich mir überlegen, dorthin zu gehen.
Heute war ich am Strand, habe ein wenig mein Viertel angeguckt und mich einmal wagemutig in den Verkehr als Fahrradfahrer gestürzt. Wieder war die Corniche dran, was die Gefahr nur vergrößert, weil ich mich nie so recht entscheiden kann, worauf ich nun achten soll: Verkehr oder Meer.

Bis jetzt ist ja nichts passiert, deshalb ein fröhliches Tschüssikowski

Keine Kommentare: